Neubeginn (erster Brief):
Alles Gute zum Geburtstag wünsche ich dir, ich hoffe deinen Katzen geht es gut. Natürlich hoffe ich auch, dass es dir und deiner Freundin gut geht. Du fragst dich bestimmt, was das hier ist. Ein Brief. Um dir zu zeigen, dass ich dich nicht vergessen habe. Ich hoffe auch du hast mich nicht vergessen, zumindest bis jetzt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, allzu viel kann es nicht sein. Zeit ist ein unförmiger Klumpen geworden, seitdem ich sie alleine verbringe. Ich habe immer mal wieder versucht, mich Menschen zu nähern und zu öffnen, doch ich war immer enttäuscht oder es hat einfach nicht geklappt. Ich habe zwar soziale Kontakte verloren, aber dafür Normen und Prinzipien gewonnen.
Ich glaube, ich habe dir im Laufe unserer Freundschaft jede Menge Unannehmlichkeiten bereitet. Ich könnte dir jetzt davon erzählen, aber das mache ich nicht. Du verstehst immer besser, was ich nicht gut erklären kann. Je besser du verstehst, desto schlechter kann ich erklären. Das ist wohl ein Fehler von mir. Fehler hat natürlich jeder, aber mein größter Fehler ist, dass sich meine Fehler mit der Zeit vermehren. In mir geht es zu wie auf einer Hühnerfarm. Die Fehler legen Eier, aus denen neue Fehler wachsen und die dann wieder Eier legen. Kann denn ein Mensch so leben mit diesen ganzen Fehlern? Natürlich kann er das. Das ist ja das Problem. Ich frage mich, ob es Sinnvoll wäre, über unsere Zukunft zu sprechen, vielleicht ist das dann eine Art, das Schicksal herauszufordern und das sollte man nicht tun, weil es stärker ist und einen bändigt. Also hier ein Brief voll und ganz in der Gegenwart. Darauf hatte ich ein Deja-Vu, auch das passiert mir häufig. Nein, es ist eher so, dass ich die Vorherbestimmtheit einer Erinnerung wahrnehme und sich dann ein seltsames Gefühl in mir ausbreitet, aber ich ignoriere das Gefühl und sage mir, ist doch egal. So wie als würde man
langsam auf eine Klippe zu fahren, aber keine weiteren Gedanken daran verschwenden.
So in etwa fühlt sich jetzt mein Alltag an. Trotzdem mache ich jeden Tag Sport, meditiere und gehe joggen. Die Verausgabung beruhigt mich sehr, ich befinde mich dann manchmal in einem Zustand des Wahrnehmens, in dem ich sortieren kann. Ich sortiere in letzter Zeit jede Menge. Ich habe
gemerkt, dass mein Bewusstsein wie ein völlig chaotisches Zimmer ist und jetzt habe ich jede Menge Zeit, Stück für Stück alles an seinen Platz zu räumen, den Platz, an dem ich es haben möchte.
Ich lese jetzt wieder Bücher, wobei mir so einiges auffällt, es öffnet mir die Augen und ich sehe jetzt Dinge, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Ich kann jetzt Dinge sehen, die mir das Leben einfacher und erträglicher machen, aber ich sehe natürlich auch Dinge, die ich nicht sehen möchte, das ist glaube ich, immer so. Das hat mir auch den Anreiz gegeben, dir diesen Brief zu schreiben und dir ein bisschen davon zu erzählen. Ich habe gesehen, dass Lole (so nenne ich sie), auch angefangen hat viel zu lesen, oder sie tut es schon länger, ich weiß es nicht, sie hat schon immer so wenig von sich preisgegeben. Zumindest liest sie Kafka, das gefällt mir, denn ich habe ein Buch in seinem Namen gelesen. Dann ist mir wieder eingefallen, wie sehr ich sie liebe. Das hab ich schon immer getan und bla bla bla. Ich vermisse euch sehr. Nun denn, auf das Wissen, das wir noch existieren.
Neubeginn (zweiter Brief):
Hallo hier ist Marlon. Mich überkam vor kurzem eine Not und dachte ich stark an dich wie in einem Traum. Auch wenn der Zeitpunkt nie der richtige ist, trachtet derjenige der hier so missverständlich schreibt nun nach einer Aussprache um seiner Intuition folge zu leisten. Keine Aussprache im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Frage die ihm die Eingebung eines unterschwelligen Gefühls vermittelt, fast eingeflüstert zu haben schien. Denn willkürlich war es nicht, soviel lass mich sagen, eher ein andauernder Hintergedanke, man könne einander hilfreich sein, fast eine Gewissheit oder doch nur eine Hoffnung, denn du scheinst mir wunschlos wo ich die meisten Wünsche habe, wie so oft, fürchte ich mich zu vergehen und zu vergeuden was ich dir aufdringe. Also nochmal etwas klarer, klopfe ich an und mein Bittsteller der Einsamkeit überbringt dir eine Anfrage, wo und wann unbestimmt, bittet er um einen Vorschlag und dass er bereit ist, wenn du es bist.