Philosophy: Speak to me Zarathustra
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844–1900) wurde als Sohn eines Pfarrers in Röcken (damals Preußen, heute Sachsen-Anhalt) geboren, wuchs in rein weiblicher Gemeinschaft auf und wurde im Geiste protestantischer Frömmigkeit erzogen. Studierte klassische Philologie und liebte das griechische Altertum. Bereits mit 24 wurde er 1868 Professor in Basel, musste aber bereits mit 35, 1877, krankheitshalber in Pension gehen. 1889 fiel er in geistige Umnachtung. Viele philosophische Autoren und Philosophie-Professoren gehen aber davon aus, dass die Geisteskrankheit schon viel früher bei ihm auftrat, und dass seine – besonders späte – Philosophie sogar zu großen Teilen das Produkt seines psychopathischen Innenlebens war. (Vermutet wird, dass ihm die Syphilis schleichend das Gehirn zerfressen hat.)
Ursprünglich Schüler Schopenhauers kam Nietzsche später zu vielfach entgegengesetzten Ansichten. Gemeinsam mit Schopenhauer war ihm, dass auch seine Philosophie eine Philosophie des Willens ist. Der einzige Philosoph, zu dem er sich später bekannt hatte, war Heraklit. Alle Philosophie nach diesem betrachtete Nietzsche als Irrweg. Glück, Wohlfahrt, Mitleid etc. waren für Nietzsche pöbelhafte Instinkte und Naivitäten. Sehr häufig grenzte er sich vom Eudämonismus der englischen Utilitaristen, von Sozialismus und Altruismus ab. Besonders griff er das Christentum und dessen Forderung der Nächstenliebe an und propagierte die Mitleidlosigkeit. Nietzsche wollte nicht das Leiden abschaffen, im Gegenteil: Er wollte es »schlimmer haben, als je es war«, da nur Leid eine Erhöhung der Menschen herbeiführen würde. (U. a. Jenseits von Gut und Böse, Aph 225.)
Der Nietzsche der frühen und mittleren Schaffensperiode war ein vielfach skeptizistischer und aufklärerischer Schriftsteller, Philosoph und Psychologe, der auf Widersprüchlichkeiten und Scheinheiligkeiten in vorhandenen Weltanschauungen und Verhaltensweisen hinwies und in dessen Aphorismen man viele interessante Einsichten findet. Aber auch zu dieser Zeit klangen reaktionär-faschistische Gedanken mit an. Der Nietzsche der späten Schaffensperiode entwickelte sich dann zu einem geistigen Wegbereiter des Faschismus (in Deutschland in Form des Nationalsozialismus) und der Menschenvernichtung.
Der Wille zur Macht:
Im Willen zur Macht fand Nietzsche die unterste Grundlage aller Wertungen. Aber Macht wofür? Nietzsche sprach von der »Unschuld des Werdens«, das eigentlich Wertvolle schien ihm das nackte Dasein, das Werden an sich zu sein. Nietzsches Weltbild in seinen Worten:
»Und wisst ihr auch, was mir ›die Welt‹ ist? Soll ich sie Euch in meinem Spiegel zeigen? Diese Welt: Ein Ungeheuer an Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, als Ganzes unveränderlich groß, ein Haushalt ohne Ausgaben und Einbußen, aber ebenso ohne Zuwachs, ohne Einnahmen, vom ›Nichts‹ umschlossen als von seiner Grenze, nichts Verschwimmendes, Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt, und nicht einem Raume, der irgendwo ›leer‹ wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich eins und vieles, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen, aus den einfachsten in die vielfältigsten hinaustreibend, aus dem Stillsten, Starrsten, Kältesten hinaus in das Glühendste, Wildeste, Sich-selber-Widersprechendste, und dann wieder aus der Fülle heimkehrend zum Einfachen, aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Einklangs, sich selber bejahend noch in dieser Gleichheit seiner Bahnen und Jahre, sich selber segnend als das, was ewig wiederkommen muss, als ein Werden, das kein Sattwerden, keinen Überdruss, keine Müdigkeit kennt: – diese meine d i o n y s i s c h e Welt des Ewig-sich-selber-Schaffens, des Ewig-sich-selber-Zerstörens, diese Geheimniswelt der doppelten Wollüste, dies mein ›Jenseits von Gut und Böse‹, ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt, ohne Willen, wenn nicht ein Ring zu sich selber guten Willen hat, – wollt ihr einen Namen für diese Welt? Eine L ö s u n g für alle ihre Rätsel? Ein Licht für euch, ihr Verborgensten, Stärksten, Unerschrockensten, Mitternächtlichsten? – D i e s e W e l t i s t d e r W i l l e z u r M a c h t – u n d N i c h t s a u ß e r d e m ! Und auch ihr selber seid dieser Wille zur Macht – und nichts außerdem!« (Der Wille zur Macht)
Kunst, Ton und Sprache :
Die Malerei und Plastik sind nur eine Art der unlauten Geberde, sie stellen den Menschen in der Geberde dar: d.h. sie ahmen das Symbol nach und haben ihre Wirkungen erreicht, wenn wir das Symbol verstehen. Die Lust des Anschauers
besteht im Verstehen des Symbols, trotz seinem Schein.
Scöhnheit entspricht immer nur unserer Vorstellung. „Ein schönes Gemälde“ bedeutet nur: die Vorstellung, die wir von einem Gemälde haben, ist hier erfüllt: wenn wir aber ein Gemälde „gut“ nennen, so bezeichnen wir unsre Vorstellung von einem Gemälde als die dem Wesen des Gemäldes entsprechende.
Ton ist eine Art der Sprache. Auch Ton hat ein zu erkennendes Symbol und das ist die Rhyhtmik. Nietsche nennt das Tonsymbolik. Eine Musik ist dann gut wenn sie unsere Vorstellung von Rhytmik enspricht. Geberde und Rhytmik entspringen wiederum unseren Archetypen.
Aus Ton und Geberde wird dann schließlich Sprache
Dionysisches und Apollinisches:
Das Dionysische sei der gestaltlose Urwille, wie er sich unmittelbar in der Musik ausspreche. Am ehesten mit dem Rausch zu vergleichen. Das Apollinische sei die Kraft des Maßes und der Harmonie. Nietzsche liebte die Musik und war ursprünglich ein leidenschaftlicher Verehrer Wagners. Wie Schopenhauer sah auch er die Musik als unmittelbares Abbild des Weltwillens (Archetypen). Später warf Nietzsche Wagner vor, er sei mit seiner Oper »Parsifal« vor den lebensverneinenden Idealen des Christentums zu Kreuze gekrochen. Nietzsches Begeisterung für die Tragödie ging so weit, dass er sich das Leben, die Weltgeschichte als große Tragödie dachte und wünschte. So war Russell der Auffassung, dass Nietzsches Weltanschauung sehr an den Ring des Nibelungen erinnert, einem Opernzyklus Wagners, und dass der dortige Held Siegfried Nietzsche als Vorlage für seinen Herrenmenschen und seine Blonde Bestie diente. In seinen Tagträumen (und später ihn seinen Psychosen) sei Nietzsche Siegfried gewesen: Ein Wesen ohne jede Mitmenschlichkeit, mitleidlos, grausam, betrügerisch, nur an der Steigerung seiner eigenen Macht interessiert.
Nietzsches Lehre vom Übermenschen:
Die eigentlichen Philosophen seien Befehlshaber, sie bestimmten das Wohin und Wozu. Der freie Mensch sei ein Krieger. Tot seien alle Götter. Nun solle der Übermensch leben. »Seht, ich lehre euch den Übermenschen! Der Übermensch ist der Sinn der Erde. [...] Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind's, ob sie's wissen oder nicht. Verächter des Lebens sind's, Absterbende und selber Vergiftete, deren die Erde müde ist: so mögen sie dahinfahren! [...] Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch, – ein Seil über einem Abgrunde. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben. Was groß ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist. Ich liebe die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden. Ich liebe die großen Verachtenden, weil sie die großen Verehrenden sind und Pfeile der Sehnsucht nach dem andern Ufer. Ich liebe die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, dass die Erde einst der Übermenschen werde.«
Der Mensch ist nicht nur Brücke oder und Zweck. Er ist beides! Den Menschen nur als
Brücke oder Instrument zur Erreichung von Höherem anzusehen, öffnet der
Inhumanität Tür und Tor. Das ist ebenso der Geschichtsphilosophie Hegels
und Marx' gegenüber anzumerken. Jeder Mensch hat seinen Eigenwert und darf nicht im
Interesse höherer Ziele verheizt werden. Auf diese Weise bekommt man
keine bessere Welt, sondern eine schlechtere. Das hat die Geschichte
x-fach bewiesen. In diesem Punkt stimme ich mit Kant überein. Das
schließt aber nicht aus, dass man Höheres anstrebt. Der Mensch ist auch
Brücke. In Bezug auf Transzendenz und das ureine bezieht sich Nietzsche auf die Idee, dass der Mensch nicht nach einem jenseitigen Himmel oder einem metaphysischen Reich streben sollte, sondern sein Potenzial und seine Bestimmung auf der Erde verwirklichen muss. Die Transzendenz bei Nietzsche ist also eine diesseitige, eine Überwindung des gegenwärtigen Zustands hin zu etwas Höherem, verkörpert durch den Übermenschen. Der Übermensch ist das Ziel dieses Prozesses der Selbsttranszendenz, ein Wesen, das seine eigenen Werte schafft und die Begrenzungen des bisherigen Menschseins überwindet. (Zarathustra‘s Vorrede)